EIN WEITHIN BEKANNTES FENSTER ZUM DORF
KRIECHERE 70
„Das Fenster zum Dorf“, so lässt sich der prägnante Bau im Ortsteil Kriechere in Bezau sehr gut beschreiben. Auch die Geschichte hinter dem Fenster ist wirklich eine besondere.
Johann Kaspar Hiller legte Anfang der 1920er Jahre den Grundstein für das fotografische Gedächtnis des Bregenzerwaldes. Seine Tochter Hedwig führte ab 1958 das Erbe als erste Berufsfotografin Vorarlbergs fort und ließ sich fünf Jahre später vom damals jungen Bezauer Architekten Leopold Kaufmann in der Tenne des ehemaligen Bregenzerwälderhauses ein Fotoatelier einrichten.
Einer blühenden Aufbauzeit folgten ab 1995 fast 20 Jahre Leerstand, erst mit Markus Innauer und Sven Matt fanden sich Architekten, die das Erbe Kaufmanns verstanden und zu schätzen wussten, sodass ihnen der Raum zunächst
nur zur Nutzung anvertraut wurde. Doch der jahrzehntelange Leerstand hatte der Substanz zugesetzt, eine Sanierung und in großen Teilen ein Ersatzneubau waren unumgänglich. Dennoch war für Rudolf Berchtel – den Erben des Hauses – und die Architekten klar: Das Frühwerk von Leopold Kaufmann musste erhalten bleiben.
Die individuellen Bedürfnisse aller Beteiligten wie der Wunsch Berchtels, wieder an seinen vertrauten Heimatort zurückzukehren, der zusätzliche Platzbedarf des Architekturbüros an Büroflächen und Kleinstwohnungen für internationale Mitarbeiter:innen, gaben den Anstoß für einen zukunftsorientierten Umbau. Folgerichtig fanden sich alle Beteiligten zu einer Baugruppe zusammen und hauchten gemeinsam dem Gebäude neues Leben ein. Das ehemalige Fotostudio und heutige Architekturbüro erweitert sich nun behutsam in den Dachraum. Der Bestand des Vorderhauses (Wohnteil) war leider nicht mehr zu retten, wurde aber in den Proportionen eines Wälderhauses mit kleinen zeitgenössischen Adaptierungen wiedererrichtet und bietet nun Platz für zwei kleine Mitarbeiter:innenwohnungen und im Ober- und Dachgeschoss die Wohnung für Rudolf Berchtel.
Die Jury würdigt den respektvollen Umgang mit dem Bestand. Die bestehende Architektur und der Neubau wurden so weiterentwickelt, dass sie den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht werden. Das Ergebnis: ein lebendiges Gebäude, das Wohnen und Arbeiten vereint und einen vielseitig genutzten Raum schafft. So lebt die Geschichte des Hauses weiter und prägt identitätsstiftend nicht nur die Nutzer:innen, sondern auch die Nachbarschaft.
JURYMITGLIED
SANDRA GNIGLER
Bauherrschaft: Baugruppe Berchtel-Innauer-Matt
Architektur: Innauer Matt Architekten
Standort: Bezau
Fotografie: Adolf Bereuter
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