Umbau-Erweiterung Tuerr
Ausgangssituation
Im Laufe der vergangenen 40 Jahre wurde das Haus Römerstraße 33 in Bregenz in mehreren Schritten verändert und baulich erweitert, so dass zuletzt ein unüberschaubares Konglomerat aus Anbauten, Dachvorsprüngen, Gaupen und Terrassen entstanden war. Diese Eingriffe führten mit der Zeit zu strukturellen Problemen; nicht nur waren die Nutzungen mit zunehmenden Ansprüchen kaum noch sinnvoll zu organisieren, auch die statische Struktur war angegriffen und die bauliche Substanz litt an den unsachgemäßen Eingriffen. In den sechziger Jahren war südwestlich vom Grundstück ein turmartiges Gebäude mit Büro- und Wohnnutzungen errichtet worden und für das Jahr 2018 war am nordöstlich angrenzenden Grundstück der Neubau eines mehrstöckigen Wohngebäudes geplant.
Städtebau
Das umgebaute und erweiterte Gebäude sollte zusammen mit den beiden Nachbartürmen, die etwa die doppelte Höhe des Bestandes erreichen würden, ein Ensemble bilden. Dies war auf Grund der beengten Grundstückssituation nur in Verbindung mit einem, um 90° zum See gedrehten, Dachgiebel möglich und so wurde, nach Zusicherung einer großzügigen Abstandsnachsicht gegen Südwesten hin, diese Idee dem Gestaltungsberat der Stadt Bregenz präsentiert. Bereits in dieser Phase wurden baurechtliche Fragen wie die nach den Stellplätzen und Grenzabständen sowie städtebauliche Fragen, wie die der Gebäudeabstände und der öffentlichen Durchwegung, erörtert. Hier zeigten sich schon früh die Vorteile einer koordinierten Vorgehensweise zwischen Bauherrschaft und Baubehörde.
Engagement der Bauherrschaft und Projektentwicklung
Am Beginn standen Grundsatzentscheidungen über organisatorische und gestalterische Fragen, moderiert durch die Planer und engagiert begleitet und mitgetragen durch die Bauherrschaft. - Umbau und Erweiterung, statt Abriss und Neubau. Dies bedeutet Auseinandersetzung mit dem Bestand und dessen Weiterentwicklung. - Das Fahrrad-freundliche Haus, Betonung der Zentrumsnähe und somit weitgehender Verzicht auf PKW-Stellplätze.
- Konzeption und Errichtung leistbarer Mietwohnungen, statt Verkauf und Spekulation. Entwicklung offener Grundrisstypologien mit geringen Nutzflächen und einer zweigeschossigen Dachwohnung.
- Schaffung von Garten- und Terrassenflächen als zugeordnete Freiflächen für alle Wohnungen sowie die Berücksichtigung der Lebensräume der tierischen Stadtbewohner. Flachdächer als begrünte Außenflächen.
- Beibehalten der bestehenden Erschließung, erweitert und ergänzt durch einen behindertengerechten Aufzug.
- Erhalt des mit Naturstein gemauerten Bestandes. Auf eine außen liegende Dämmung wurde verzichtet, die Sandsteinumrahmungen wurden erhalten und Teile das Mauerwerks innen und außen sichtbar gemacht.
- Der Umbau des Bestandes begründet auch die Materialwahl für die Aufstockung in Holz (Tragfähigkeit Bestand). Das gewünschte einheitliche Erscheinungsbild führte zur Wahl einer verputzten Fassade.
- Wiederverwendung nutzbarer und dekorativer Bauteile aus dem Bestand.
- Entwicklung der Ansichten der Erweiterung als Improvisation aus dem Fassadenrhythmus des Bestandes.
Statement Architekten
Dass eine Bauherrschaft Erwartungen und Vorstellungen hat und diese erfüllt sehen möchte, war soweit nichts Neues für unsere Arbeit als Architekten. Besonders war jedoch der offene Zugang zu den damit zusammen hängenden Fragen. Eine Idee von einem Gebäude zu entwickeln, dessen Erscheinung und Aussagekraft erkennbar und verständlich und den dahinter stehenden Mut auch im fertig gestellten Bau spürbar zu machen sind jedenfalls immer die Früchte eine guten Zusammenarbeit zwischen Planern und Auftraggebern. Aus unserer Sicht haben die Bauherren ihre Aufgabe sehr kuragiert wahrgenommen und das gebaute Ergebnis maßgeblich mit beeinflusst. Beim Thema Umbau und Erweiterung bestehen hier zudem besondere Herausforderungen, weil sowohl gestalterischen als auch budgetären Fragen eine gewisse Unsicherheit beiwohnt. Mit einer Art „konsequenter Hinterfragung“ und der ständigen Bereitschaft, neue Themen für sich zu erschließen und dazu zu lernen, haben die beiden Auftraggeber die Entwicklung des Projektes nicht nur aufmerksam verfolgt sondern sich auf außergewöhnliche Art in die Umsetzung eingebracht. Den diesbezüglichen Höhepunkt bildet sicher die Übernahme der Bauleitung nach der Fertigstellung der Gebäudehülle. Bis zur Fertigstellung wurden somit viele gestalterische Fragen und Themen durch die Bauherrschaft selbst bewältigt; aus unserer Sicht gebührt ihnen dazu unser Respekt und unsere herzliche Gratulation für ihren Mut und ihr Engagement.
Bauherr/in: Barbara + Christian Tuerr
Architektur: Jörg Tiefenthaler/Tom Gerhalter
Fotografie: Angela Lamprecht
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