Stadthotel Kleiner Löwe
Das neue Stadthaus am zentral gelegenen Kornmarktplatz in Bregenz soll einen eigenständigen Beitrag zum kulturellen und öffentlichen Leben der Stadt am Bodensee leisten. Der fünfgeschossige Neubau beherbergt ein kleines Hotel, einen Veranstaltungsraum für kulturelle Anlässe sowie eine Privatwohnung. Die historische Fassade bleibt erhalten, so dass sich das Gebäude im bestehenden Kontext der Stadt nahtlos einfügt.
Das im 17. Jahrhundert errichtete Gebäude wurde in verschiedensten Funktionen von einer Bierbrauerei, als Kino, einer Bank, einem Möbelhandel sowie in jüngerer Vergangenheit als Bar und Club genutzt und dabei immer wieder erheblich umgebaut. Auch die Fassade zum Kornmarkplatz wurde mehrfach verändert, um der jeweiligen Nutzung Ausdruck zu verleihen. Der heutige neobarocke Zustand geht dabei auf die Nutzung als Bank Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Nach einem Brand des Dachstuhls stand das Gebäude jahrelang leer, folglich hat die Gebäudesubstanz stark gelitten und liess sich nicht mehr erhalten.
Der historische Kornmarktplatz ist gesellschaftliches und kulturelles Zentrum der Stadt zwischen dem Bodensee und dem Hausberg Pfänder. So befinden sich dort unter anderem das Kunsthaus Bregenz und das vorarlberg museum, das Vorarlberger Landestheater sowie Geschäfte des täglichen Bedarfs, Cafés und Restaurants. Der Kornmarktplatz war ursprünglich ein überregional bedeutsamer Umschlagpunkt für den Kornhandel. Fortlaufend einem ständigen Wandel unterworfen, war er für lange Zeit zentraler Verkehrsknoten der Stadt. 2013 wurde er verkehrsberuhigt und wird seitdem wieder in seiner ursprünglichen Funktion als Marktplatz genutzt.
Die Vorder- und Rückseite der 8 Meter breiten und knapp 23 Meter tiefen Parzelle sind jeweils sehr unterschiedlich geprägt: Nach Norden zum Platz hin sehr öffentlich, ist die Situation nach Süden zum Innenhof hingegen eher privat. Zwei Brandmauern schliessen das Gebäude entlang der Längsseiten zu den Nachbarbauten ab. Die beiden Längswände werden über ein tonnenförmiges Dach verbunden. Brandwände und Dachrundung sind einheitlich verkleidet und bilden eine weisse Metallhaut, die farblich auf die in hellem Lichtblau mit weissen Verzierungen gehaltene Bestandsfassade abgestimmt ist. Grosszügige Verglasungen geben den Blick frei zum See und über die Dächer zum Bergrücken des Pfänders. Entsprechend orientieren sich die Wohnräume und auch die Hotelzimmer zu den beiden Schmalseiten des Baus. In der Gebäudemitte liegt die vertikale Erschliessung sowie eine Dachterrasse, die über einen Dachausschnitt Tageslicht ins Gebäudeinnere bringt.
Im Innenraum zieht sich die aus der Bestandsfassade abgeleitete Sprache weiter. Im Erdgeschoss betritt man das Haus über das Entrée, in dem sich das Lichtblau sowie weisse Elemente wiederfinden. Von dort führt eine Treppe in das Mezzanin und die oberen Geschosse. Ebenerdig gelangt man in den Salon, der sich über die gesamte Tiefe des Hauses zieht und sowohl als Lobby, Frühstücksraum des Hotels wie auch Kulturfläche dient und nach Bedarf durch eine mittige Trennung in verschieden grosse Räume unterteilt werden kann. Auch im geöffneten Zustand ergibt sich durch das eingehängte Mezzanin eine Raumfolge von drei verschiedenen Räumen: Platzraum mit voller Höhe, niedriger Bereich unter dem Mezzanin und hohes Gartenzimmer. Die Wände sind holzgetäfert und stoffbespannt, im hinteren Gartenzimmer ist die gesamte Fassade verglast und öffnet den Raum zum Garten im Innenhof.
Im Untergeschoss sind die WC-Anlagen, Keller und Haustechnik sowie ein Raum für die Mitarbeitenden angesiedelt, das Lichtblau aus dem Entrée zieht sich hinunter und zeichnet die öffentlichen Bereiche aus.
Über ein Mezzanin, in dem die Haupterschliessung von der Südwest- auf die Nordostseite wechselt und man durch ein Ochsenauge in den Salon blicken kann, erreicht man die Hotelgeschosse. Das Lichtblau des Eingangsbereichs geht in einen warmen Grauton über, der die öffentliche Erschliessung begleitet. Auf den zwei Hoteletagen gibt es jeweils vier Zimmer, zwei zum Platz und zwei zum Gartenhof, die symmetrisch aus dem mittigen Entrechambre erschlossen sind.
Alle Zimmer sind ähnlich in der Anlage: Eingangsbereich mit Badezimmer, das über eine Viertelrundung das Zimmer öffnet. Zwei nebeneinanderliegende Zimmer sind jeweils durch eine hölzerne Schrankwand geteilt, in der Garderobe, Ablagefächer und -schränke sowie die den Gästen zur Verfügung stehenden Geräte untergebracht sind. Bei Bedarf ist diese fast komplett schliessbar. Teilweise können je zwei benachbarte Zimmer über eine Doppeltüre zu einer Suite kombiniert werden.
Die Platzzimmer sind der Bestandsfassade zugewandt und in hellen Blautönen gehalten, die Zimmer zum Garten nehmen das Grün des Gartens im Innenhof auf.
Die platzseitigen Zimmer sind von der Bestandsfassade geprägt. Im OG1 sind die bestehenden Öffnungen dem historischen Vorbild entsprechend mit Kastenfenstern ausgestattet, der Zwischenraum ist durch die Tiefe der Fassade als Bank nutzbar. In den leicht kleineren Zimmern im OG2 ist die neue Fassade zurückgesetzt und eine Loggia zwischen neuer und bestehender Fassade sowie eine neue Öffnung im Bestand erzeugen einen geschützten Aussenraum.
Zum Hof hin sind die Zimmer vollflächig nach Aussen verglast, ein schlanker Balkon zieht sich entlang der Fassade und erweitert sich zu einer viertelkreisförmigen Loggia vor den südwestlichen Zimmern, die Form ergibt sich durch die Vorgaben aus dem Brandschutz. Die Zimmer sind je nach Grösse und Ausrichtung unterschiedlich ausgestattet und haben jeweils eigenen Charakter: Durch Farbgebung, Öffnungsgrössen & Aussenraumbezug sowie in der Möblierung.
Über dem Hotel liegt in den Obergeschossen 3 und 4 die Wohnung. Im 3. OG sind die Schlaf- und das Arbeitszimmer in gleicher Weise wie die Hotelzimmer angeordnet, im Gebäudeinneren befinden sich zwei Bäder, ein Hauswirtschaftsraum und ein Dampfbad. Alle Zimmer sind durch raumhohe und raumgliedernde Einbaumöbel getrennt. Die Flügel- und Schiebetüren liegen im geöffneten Zustand dabei ganz im Möbel, so dass alle Zimmer offen verbunden sein können.
Im darüberliegenden Wohngeschoss ist das Gebäude in Längsrichtung ähnlich organisiert wie im Erdgeschoss. Zwei Räume, Wohnen und Essen, mit voller Höhe unterhalb des Tonnengewölbes sind jeweils zum Platz und Garten orientiert. Dazwischen liegt das Entrée, das gleichzeitig auch Kaminzimmer ist. Dieser Raum ist deutlich kompakter, ganz in Holz ausgekleidet und setzt einen Kontrast zu den sehr offenen Wohnräumen an den Fassaden. Darüber liegt eine geschützte Dachterrasse, die vom platzseitigen Wohnzimmer aus über eine schmale Treppe erreichbar ist und durch einen kreisrunden Dachausschnitt belichtet wird. Zwei Fenster erlauben den Durchblick nach unten in die seitlich anliegenden Wohn- und Esszimmer, die wiederum durch diese zusätzlich zur Hauptfassade mit Tageslicht beleuchtet werden.
Herzog & de Meuron, 2024
Statement der Bauherrschaft:
Mit dem Kauf des Grundstücks und der Brandruine am Kornmarktplatz verspürten wir eine hohe Verantwortung „das Richtige“ zu tun. Dabei war unser Verständnis „des Richtigen“ einerseits der starken und von uns sehr geschätzten Vorarlberger Architekturszene einen Input von außen zu geben und andererseits eine Nutzung zu suchen, die am Platz nicht schon angeboten wird.
Statement Architekt:
Der kleine Löwe ist ein kleines, aber feines Projekt im Herzen von Bregenz. Es will nicht auftrumpfen, sondern auf eine subtile und sympathische Weise das Stadt- und Kulturleben in Bregenz bereichern.
Bauherr/in: Lisa Rümmele & Johannes Glatz
Architektur: Herzog & de Meuron
Fotografie: Daisuke Hirabayashi
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