Sanierung Probstei St. Gerold
Schlichter Kubus voller Leben.
Seit mehr als 1.000 Jahren wird an diesem Ensemble gewirkt und gewerkt. Der Heilige Gerold gründete 960 eine Benediktinerpropstei an der historischen Faschina-Passroute, die während der folgenden Epochen mit Bauten im Stil der Gotik und Renaissance, des Barock sowie des Klassizismus zu einer vielschichtig verwobenen Anlage ergänzt wurde. 1958 folgte die Umwidmung vom Kloster zu einem Ort der Begegnung und Bildung, der durch behutsame Renovierungs- und Ausbaumaßnahmen stets weiterentwickelt wird.
Die Sanierung des streng denkmalgeschützten Hauptgebäudes war notwendig, um eine drohende Schließung abzuwenden. Sowohl die Elektrotechnik als auch der Brandschutz entsprachen nicht mehr den erforderlichen Genehmigungsstandards. Zudem fehlte die für den Betrieb als Gästehaus unerlässliche Barrierefreiheit sowie die Infrastruktur eines zeitgemäßen Seminarhauses.
Um Raum für einen lichten Empfangs- und Erschließungsbereich zu schaffen, wurde die Grundrissfigur des kompakten Gebäudekomplexes in der südwestlichen Ecke durch einen schlanken Ersatzbau geschlossen. Der Baukörper fügt sich in Dachstruktur, Fassadengestaltung und Fensterrhythmus nahtlos in den Bestand, die großzügigen Öffnungen und sprossenlosen Gläser zeigen jedoch das aktuelle Baujahr.
Von hier entwickeln sich die Wege vertikal durch eine Liftanlage und die geschwungene Sicherheitstreppe mit einem Geländer aus unbehandeltem Schwarzstahl, horizontal hingegen als barrierefreier Gang, der den neu interpretierten Paradiesgarten als Herzstück der Anlage umschließt.
Dieses dreigeschossige Volumen wirkt optisch als Außenbereich, zum Himmel wie zur Erde offen. Doch die angenehme Temperatur und weiche Akustik betonen, dass der Raum von einem leichten Glasdach und fußwarmen Stampflehmboden gefasst ist. Die Fassaden der begrenzenden Gebäudeflügel wurden behutsam restauriert, die ursprünglichen Fensterordnungen wiederhergestellt und das seltene romanische Mauerwerk des Kirchenschiffes freigelegt. Die verwitterte Christusfigur von 1770 scheint nun aus den rauen Bruchsteinen herauszutreten.
In Materialabstimmung mit den gekalkten Wänden fließt der ockerfarbene Lehmboden im gesamten Erdgeschoss barrierefrei über die unterschiedlichen Niveaus der historischen Epochen und löst zudem das Problem der Feuchtigkeit, da eine Drainage gegen das Hangwasser aus Gründen des Denkmalschutzes nicht möglich war. In den beiden darüber liegenden Wohnetagen verleiht helles, sägeraues Eschenholz den barocken Gängen heitere Wärme und wohligen Duft. Die Zimmertüren wurden behutsam vor die historischen Mauern gesetzt, um den wertvollen Bestand zu schonen.
Im ersten Obergeschoss hat eine sorgfältige Renovierung die Klosterbibliothek mit ihren wertvollen Schriften bewahrt, im darüber liegenden Stockwerk konnte das Renaissancetäfer der Prälatur mit überlieferter Handwerkskunst und modernster Lasertechnik behutsam restauriert und ergänzt werden. Das mit Fresken von Ferdinand Gehr ausgestaltete Capitulum, als repräsentativer Versammlungsort des Klosters, entwickelte sich zum technisch bestens ausgestatteten Seminarraum. Sein historisches Gebälk wurde freigelegt und aufwendig saniert, auch wenn nun das neue Dach trägt.
Die zentralen Themen des komplexen Bauprojektes bilden die weitgehende Rückbaubarkeit der Eingriffe, die behutsame Erhaltung und Wiederverwertung von Materialien sowie die Umsetzung ökologischer Kriterien, ganz im Sinne des Biosphärenparkes Großes Walsertal, in den die Probstei eingebettet liegt.
Die Herausforderung besteht darin, die teilweise widersprüchlichen Anforderungen von Denkmalpflegern, Gestaltern, Gastgebern und Besuchern in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen – ein Gleichgewicht, das immer wieder neu ausgelotet werden muss. „Denn ein solches Projekt lässt nicht zu, dass alles bis ins Detail zu Ende gedacht ist, bevor die Arbeit auf der Baustelle beginnt,“ erklärt der Experte für Renovierungen und traditionelles Handwerk, Christoph Dünser.
„Diese außergewöhnliche Aufgabe entwickelte sich zu einem geradezu beispielhaften Projekt des nachhaltigen Bauens,“ erklärt der Bürogründer und emeritierte Professor der TUM Hermann Kaufmann. „Doch dies ist nicht nur in einem ökologischen Sinne gedacht, sondern auch im Hinblick auf das Raumkonzept, die Materialität und die Rückbaubarkeit der Eingriffe."
Univ.-Prof. Arch Hermann Kaufmann, HK Architekten
„Wir verstecken unsere Haltung nicht und das ist auch wichtig, dass jeder Mensch, der hierherkommt, seine Haltung nicht versteckt,“ bringt der Gastgeber Pater Martin Werlen die Kernbotschaft dieses Ortes auf den Punkt. „Denn eine Baustelle ist für mich immer eine Gemeinschaftsaufgabe. Nur im Miteinander kann solch ein Werk gelingen, und genau das habe ich hier als sehr positiv erlebt.“
Pater Martin Werlen, Propstei St. Gerold
„Das Planen in diesem Kontext erfordert ein tieferes Nachdenken über das eigene Tun. Die Auseinandersetzung mit einem Bauwerk von so eindrucksvoller Geschichte erfordert nicht nur ein hohes Maß an Sorgfalt und Respekt, sondern eben auch Mut und Kreativität. Mit viel Fingerspitzengefühl gilt es, den Drahtseilakt zwischen dem Bewahren und dem Erneuern zu meistern.“
DI Christoph Dünser, HK Architekten
Denn im Einklang mit der Philosophie des umgebenden Biosphärenparks Großes Walsertal wurde darauf geachtet, Vorhandenes zu nutzen, Ressourcen zu schonen und weitgehend regionale Baustoffe einzusetzen. Dieses Bewusstsein für die langfristigen Auswirkungen architektonischer Entscheidungen steht beispielhaft für eine Haltung, die nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit respektiert, und beide Aspekte miteinander in Einklang bringt.
Ultramoderne Fertigung trifft traditionelles Tischlerhandwerk
Im Rahmen der Sanierung des Hauptgebäudes wurde ein Design entwickelt, das den Charakter des Ortes betont und gleichzeitig den Anspruch widerspiegelt, ein Ort der Offenheit und Begegnung für alle Menschen zu sein. Deshalb hat das HK Architekten Team – bestehend aus Christoph Dünser, Saskia Weber und Dominic Wild – ein neutrales Design entwickelt, das sich nun im gesamten Gebäude zeigt. Unter Verwendung des hausinternen Lasercutters wurde im ersten Schritt ein Prototyp aus Holz hergestellt.
Die Endfertigung für die Heizungsverkleidung erfolgte durch Markus Palzenberger. Seine innovativen Lasercuttermaschinen waren in der Lage, eine Lasergravur präzise durch gezielten Einbrand in die Oberfläche anzubringen und die 20 mm dicken Platten exakt zu schneiden. Anschließend wurde die Verkleidung vom Restaurator Edgar Waldner mit einem passenden Firnis versehen und fachmännisch eingebaut, um eine perfekte Anpassung an den Bestand sicherzustellen. Die Herstellung der Abdeckung für die Bodenkonvektoren erfolgte durch die Schlosserei Kalb.
Bauherr/in: Kloster Einsiedeln
Architektur: HK Architekten
Fotografie: Roland Wehinger
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