Kinderhaus Babenwohl
STATEMENT ARCHITEKTUR
Ort & Situation
Der Planungsperimeter umschreibt einen Binnenraum zwischen bestehendem Marianum, der umgebenden Siedlungsstruktur sowie der naturräumlichen Dominante des angrenzenden Schloßbergs. Morphologisch wird der umgebende Siedlungskörper Großteils durch solitäre Baukörper charakterisiert. Demgegenüber stehen großvolumige Gebäude wie das ehemalige Knabenkonvikt Marianum und das Landeskrankenhaus, die ihrerseits eigenständige Orte im Siedlungsraum definieren. Gebäude von übergeordnetem öffentlichem Interesse wie beispielsweise Krankenhaus, Schule oder Kindergarten generieren durch eine höhere bauliche Dichte eine dem öffentlichen Interesse entsprechende Präsenz im Öffentlichen Raum. Das Marianum zeichnet sich durch eine geometrische, rechtwinkelige Anordnung von Riegelbaukörpern aus. Die aus den 1960er Jahren stammende Struktur birgt in ihrer Pragmatischen Grundordnung großes Potential daran anzuknüpfen und weiterzubauen.
Ziel des Projektverfassers ist es, das bestehende Ensemble & seine Qualitäten zu ergänzen und durch Hinzugeben eines neuen Passsteines, die Großform weiterzubauen. Die Wahrnehmung des Baukörpers des Bestandes variiert zwischen einem unterteilten Ganzen und einem aus Teilen gefügten Ganzen. In der Haltung beabsichtigt der Verfasser dem Bestand einen neuen Körper hinzuzufügen. Dieser ist in seiner Semantik dem Geist des Bestandes nahe. Durch feine Nuancierungen - und das erscheint zentral - behält sich dieser jedoch seine Eigenständigkeit als Teil des Ganzen.
Architektonisch räumliche Konzeption
Offenheit nach Innen und Außen Pädagogisches „offenes“ Konzept - selbstinitiiert und selbstgesteuert Die präzise ortsräumliche Setzung des neuen Baukörpers schafft durch den sich aufspannenden Campushof eine neue Mitte für das Marianum. So entsteht ein Platzraum besonderer Identifikation, welcher zukünftig als neue Mitte des Campus fungiert. Dieser dient als Schnittpunkt aller Wege und ist Auftakt der inneren Wegführungen. Die Situierung der Zugänglichkeiten und Funktionen im Erdgeschoss sichern eine nachhaltige Lebendigkeit auf dem Niveau des Ankommens. Unterschiedlich proportionierte und aufgewertete Außenräume tragen entscheidend zu einer verbesserten Qualität der gesamten Örtlichkeit bei.
Das neue Kinderhaus bildet als L-förmiger Baukörper den Abschluss der Großform des Marianums gegen Süden. Die so entstehende Figur umschließt den gemeinsamen, zentralen Campushof. Das so entstehende kommunizierende Gefäß dient als räumlich durchlässiges Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Identitäten des Marianums. Ein Ort voll von Bezügen. Für das Holen und Bringen der Kinder ist im Bereich des Campushofes ein Bereich für Fahrräder vorgesehen. Die Haupterschließung des neuen Kindergartens erfolgt über den gemeinsamen Campushof. Über eine gedeckte Vorzone gelangt man in den Allgemeinbereich des Hauses mit Bewegungsraum, Essbereich und Verwaltung. Anschließend an die Verwaltungsbereiche befinden sich 2 Gruppenräume mit den dazugehörigen Neben- & Ausweichräumen. Der multifunktional bespielbare Bewegungsraum kann bei Bedarf auch an externe Nutzer vermietet werden und ist mit dem Essraum zu einem großen Veranstaltungsraum zusammenschaltbar. Der Bewegungsraum wurde im Sinne einer multifunktionalen Bespielung und der üblichen Empfehlung des Kindergarteninspektorats um einen Geräteraum ergänzt.
Über den zentralen & durchlässigen Verteilerbereich gelangt man entweder über die Treppe nach oben zu den weiteren 4 Gruppenräumen oder direkt in den südseitig vorgelagerten Spielgarten. Jede Gruppe besteht aus einem Raumkontinuum aus Gruppenraum, Ausweichraum, WC und Abstellraum. Die Garderoben sind den Gruppen jeweils im Gangbereich unmittelbar zugeordnet. Im Sinne größtmöglicher Flexibilität sind die Ausweichräume sowohl von den Gruppenräumen als auch vom Gang aus zugänglich. Dieses funktionale Dreieck garantiert eine robuste und anpassbare Grundrissstruktur. Die überbreite Gangzone dient als aneigenbare bzw. erweiterte Spielfläche für die Kinder. Durch einen 2 geschoßigen Luftraum werden die 6 Gruppen in der Gangzone geschoßübergreifend miteinander verbunden.
Südseitig bilden jeweils großzügig gedeckte, den Räumen vorgelagerte Schopfzonen den Übergang zum Spielgarten. Hier ist Platz für das freie Spiel und den sommerlichen Mittagstisch im Garten. Im Obergeschoß sichert die vorgelagerte Loggia den unmittelbaren Aussenraumbezug vom Gruppenraum und schafft zusätzlichen Platz für das Spiel im Freien. Gruppenbildung, Maßstäblichkeit, Raumsequenzen, Außenraumbezüge, angenehme Durch- und Ausblicke und eine klare, unaufgeregte Strukturierung garantieren jene Qualitäten und Atmosphären, die dem Selbstverständnis eines zukünftigen Kindergartens gerecht werden sollen. Die Bereiche des Außenraumes (Campushof, Spielgarten & Grünbereiche) sollen zwar differenziert aber sehr unprätentiös und selbstverständlich einfach und landschaftsnah gestaltet werden. Der Raum Außen soll weder durch fixierte Einbauten noch durch den Einsatz zu vieler Materialien geschwächt werden und an Raumfluss und Kraft verlieren.
Ein horizontal gegliederter, in seiner Maßstäblichkeit und Körnung dem Kontext entsprechender Baukörper mit einer Offenheit nach Außen und Innen bildet den südseitigen Abschluss im Ensemble Marianum. Er bildet ein atmosphärisch dichtes sowie animierendes Gefäß, welches das Potential des Ortes mit den Anforderungen an eine zeitgemäße Kinderpädagogik sinnreich zu verbinden vermag.
Potential der Nachverdichtung
Die Setzung des Baukörpers garantiert ein ausgewogenes Verhältnis von Luft & Raum für den Kindergarten sowie dem Potential einer qualitätsvollen nachträglichen Verdichtung des Marianum Areals. Durch die Setzung des Kindergartens an der Nahtstelle zum Bestand entsteht im südlichen Grundstücksbereich Platz für ein bis zu 4 geschoßiges Gebäude. Durch das Wechselspiel von hohen und niedrigen Baukörpern entsteht ein atmosphärisch dichtes und ansprechendes Ensemble aus verschiedenen Identitäten, die sich zu einem gemeinsamen Ganzen arrangieren.
Je nach Programmatischer Ausrichtung kann das zukünftige südliche Gebäude über den Campus Marianum bzw. über den Manliusweg erschlossen werden. Das südliche Gebäude kann bei Bedarf an die neue Tiefgarage des Kindergartens angeschlossen und über die nördliche Einfahrt miterschlossen werden.
Material und Konstruktion
In Analogie zum bestehenden Marianum sieht die Konstruktion einen Massivbau vor, welcher mit einer hohen Flexibilität ausgestattet ist. Die Fassadensprache gebärt sich mineralisch anmutend als fein gestockter heller Sichtbetonbaukörper mit großzügig dimensionierten Holzrahmenfenstern. Die Materialisierung der Fassaden ist in enger Abstimmung mit der Bauherrschaft zu erarbeiten, wahlweise ist auch eine hochwertige & handwerklich fein texturierte Putzoberfläche denkbar. Gerade die für den Ort und das Marianum typische horizontale Gliederung verleihen dem Haus durch seine Texturierung eine wohltuende Feinheit, welche das Volumen nachhaltig in den vorhandenen baulichen und landschaftlichen Kontext verwebt. Im Innenraum dominiert neben einer angenehmen Transparenz ein Wechsel aus Glas- und feinen, lasierten Holzoberflächen. Es sind gerade die Innenräume der Gruppen, denen mittels einer atmosphärischen und subtilen Ausgestaltung in Holz und in fein abgestimmten mit Farbe gestalteter Flächen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Bereiche des Außenraumes (Platzabfolgen, Grünbereiche) sollen zwar differenziert aber sehr unprätentiös und selbstverständlich gestaltet werden. Der Raum Außen soll weder durch unnötige fixierte Einbauten noch durch den Einsatz zu vieler Materialien geschwächt werden und an Raumfluss und Kraft verlieren.
Ökologie und Ökonomie
Passivhausstandart und wirtschaftliches Neubaukonzept
Der Neubau des Kinderhauses wird nach Niedrigenergiestandard konzipiert. Alle Außenbauteile und die Dachkonstruktion sind hochwärmegedämmt. Die Wärmebereitstellung erfolgt über eine effiziente Wärmepumpe die Verteilung über flächige Niedertemperatursysteme. Eine stufenlos regelbare Lüftungsanlage versorgt alle Räume mit Frischluft. Die Verwendung einer effizienten Anlage mit Wärmerückgewinnung erlaubt den wirtschaftlichen Betrieb sowie ein ökologisches Energiekonzept. Die Gebäudehülle mit großzügigen Glasflächen ist Garant für hohe passive Solargewinne und gleichzeitig optimaler Ausnutzung des natürlichen Tageslichts. In Kombination mit einer gesteuerten Beschattung wird sommerlicher Überhitzung entgegengewirkt und somit natürliche Umweltressourcen optimal genutzt. Gleichzeitig werden die Kühllasten durch äußere Einflüsse mit massiven Bauelementen mittels Speichermassen reduziert. Hochwertige 3-Scheiben-Verglasungen in Passivhausqualität und dichter Gebäudehülle in Kombination mit Nachtlüftungselementen, sichern ein optimales Klima innerhalb der Gebäudehülle. Der Einsatz hochwertiger, ökologischer und regional verfügbarer Materialien, energieeffizienter Haustechniksysteme und Nutzung von erneuerbarer Energie schont Natur und Umwelt und schafft einen positiven Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. Der Einsatz von ökologischen und robusten Baumaterialien garantiert eine überaus lange Nutzungsdauer und schafft somit den entscheidenden Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit.
Feldkirch, 23. Jänner 2025
Kinderhaus Babenwohl – gemeinsam lernen, gemeinsam wachsen
Die Diözese Feldkirch hat in den 60iger Jahren das Marianum in Bregenz errichtet. Ziel des Marianums war es, Burschen zwischen 10 und 18 Jahren eine gute Wohnmöglichkeit zu bieten und ihnen zu ermöglichen, in Bregenz das Gymnasium zu besuchen. Gleichzeitig wurde ihnen Orientierung und Begleitung angeboten, sodass sie als reife und kraftvolle Persönlichkeiten erwachsen werden konnten.
In den folgenden Jahren, als sich das höhere Schulwesen Vorarlbergs noch im Stadium des Ausbaues befand, bot das Marianum für viele Schüler aus den Talschaften Vorarlbergs somit die Möglichkeit eine berufsbildende höhere Schule in Bregenz und Umgebung zu besuchen. Es wurde zum Ort der Freundschaft, an dem Sport und Musik, vor allem aber eine fundierte Ausbildung und Erziehung geboten wurde.
In den 70er Jahren wohnten bis zu 160 Burschen im Marianum. In den folgenden Jahrzehnten ist durch den Bau neuer Schulen verschiedener Schultypen der Bedarf an Heimplätzen in Bregenz zurückgegangen. Um die Räumlichkeiten gut zu nutzen, wurden andere familienergänzende und familienunterstützende Einrichtungen im Haus etabliert.
In der Einrichtung der katholischen Kirche Vorarlberg, welche sich vom Internat zum Bildungscampus Marianum gewandelt hat, finden sich nun bereits seit mehreren Jahren insgesamt 7 verschiedene Betreuungseinrichtungen. Alle haben sich zum Ziel gesetzt, ein „wertorientiertes Fundament für junge Menschen zu sein und die jungen Menschen dort zu unterstützen und zu begleiten, wo sie unsere Hilfe brauchen“, so Bischof Benno Elbs. Neben dem Studentenwohnheim und der Nachmittagsbetreuung des Marianums befinden sich im Gebäudekomplex außerdem die Englische Spielgruppe und der Englische Kindergarten, die Mittelschule Marienberg, eine betreute Wohngruppe der Stiftung Jupident, eine Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Rankweil und die Kinderbetreuungseinrichtung des Landeskrankenhauses Bregenz.
Nachdem die Räumlichkeiten innerhalb des Marianums für den gestiegenen Bedarf des LKH Bregenz an Betreuungsplätzen nicht mehr ausreichten, ist die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) vor etwa vier Jahren mit der Bitte an die Diözese herangetreten, eine etwaige Erweiterung der Kindergartenfläche auf dem Gelände des Marianums zu prüfen. Das Angebot einer betriebsinternen Kinderbetreuung in unmittelbarere Nachbarschaft zum LKH Bregenz ist ein wesentlicher Faktor, dem dringend benötigten Personal die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Auf dieser Grundlage und dem Ziel des Hauses – gemeinsam wachsen, gemeinsam lernen – hat die Diözese Feldkirch entschieden, eine große Freifläche auf dem Areal des Bildungscampus Marianum für dieses Anliegen zur Verfügung zu stellen. So konnte der Kinder- und Bildungscampus Marianum eine stimmige Erweiterung erfahren, und gleichzeitig der wirtschaftliche Betrieb des Marianums verbessert werden.
Die Architektur des Marianums aus den 60iger Jahren war markant und zeitlos. Bereits im Wettbewerb 1959 wurde für das Marianum gefordert, dass „die grundrissliche Anlage eine menschliche Atmosphäre zu vermitteln vermag“. Das über 10 Jahre etappierte Projekt von Architekt Werner Pfeiffer rückt mit seinen klaren, voluminösen Baukörpern als offener Campus von der unmittelbaren Straße ab und präsentiert sich als kompakte Anlage mit verschiedenen, zusammengesetzten Baukörpern in harmonischer Kubatur. Die räumliche Funktionalität ist stets an den Fassadenbildern ablesbar und besticht durch einen Gleichklang der Proportionen. Selbst die Kubatur der Kirche reduziert sich in ihrer Höhe auf ein Notwendiges und ist Teil der Gesamtanlage. Gleichzeitig nehmen Kirche und Oratorium bewusst u.a. durch ihre starken geometrischen Figuren einen besonderen Stellenwert ein und flankieren den Haupteingang.
Auf dieser Basis hat die Diözese Feldkirch im Jahr 2022 einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Die Anspannung war groß und die Vorstellungskraft, welches Bauwerk zum Marianum passen könnte, ohne das Gefüge zu zerstören, war überschaubar.
Die eingereichten Projekte waren allesamt mit der je eigenen Handschrift sehr durchdacht und klar. Beim Projekt von Bernardo Bader war man sich sehr rasch einig: Das ist es! Es ergänzt das Marianum perfekt, es schließt sozusagen den 60 Jahre alten denkmalgeschützten Bau ab, in dem es eine klare Hofsituation schafft, die Architektur und Materialisierung aufgreift und in die heutige Zeit versetzt, die Form der quaderförmigen Gebäudeteile weiterführt und abschließt.
Entstanden ist das Kinderhaus Babenwohl, welches ca. 120 Kindern weitauslaufenden Platz für Entfaltung in den Gruppenräumen, in den weiten Gängen und im Freien bietet und welches für die Betreuerinnen und Betreuer einen hellen, funktional durchdachten, wohnlichen und attraktiven Arbeitsplatz darstellt.
Wir danken Bernardo Bader und seinem Team für die Professionalität und Leidenschaft, welche diesen großartigen Bau hat entstehen lassen. Vielleicht hat Bischof Dr. Benno Elbs bei der feierlichen Eröffnung den Dank und die Freude über das Haus Babenwohl am besten zusammengefasst, wie er schmunzelnd meinte: „An einem so großartigen Platz wären wir wohl alle gerne wieder Kinder.“
Bauherr/in: Diözese Feldkirch
Architektur: bernardo bader architekten
Fotografie: Adlof Bereuter
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