Heizwerk Latschau
Projekteschreibung der Architekten
Architektur und Technik.
Architektur für Technik.
Gute Gestaltung für ein lnfrastrukturgebäude.
Technische Innovation und ökologische Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand mit dem Mehrwert des lnfrastrukturgebäudes für die Tourismusregion. Es galt zunächst, eine architektonisch anspruchsvolle Hülle für eine Vielzahl von Energiesystemen zu bauen, die ihrem Standort auf ca. 1.000 m Seehöhe oberhalb eines mächtigen Stausees inmitten der Bergwelt des Montafons gerecht wird.
Darüber hinaus macht es die Lage an einem viel frequentierten Wanderparkplatz zu einem öffentlichen Ort, dem die talseitige Besucherterrasse und die südseitige Außengestaltung Rechnung tragen.
Bauen in den Alpen bedeutet im Fall des Heizwerks Latschau, die Material- und Farbwahl so zu wählen, dass sich das Gebäude mit dem Ziel in die Landschaft fügt, die elegante Monotonie der Berge widerzuspiegeln. Ein massiver, durch unterschiedliche Oberflächenstrukturen gegliederter Betonkörper und eine einzige Schmuckfarbe für sämtliche Metalloberflächen greifen die umliegende Atmosphäre auf und tragen sie weiter.
Eine der Hauptebenen erschließt das Gebäude auf Niveau des Pumpbeckens, von hier aus werden sämtliche Betriebsräumlichkeiten erschlossen. Die verglasten Öffnungen im Erdgeschoß bieten Einblicke in das Herzstück der Anlage, den Brennofenraum und die Schaltwarte.
Das Obergeschoß liegt auf Höhe des Parkplatzes, hier findet die Hackschnitzelanlieferung ins Lager und die Beschickung des Bunkers statt. Aus Sicherheitsgründen und um einen ungestörten Betrieb zu gewährleisten, wurde eine eigene Zufahrt geschaffen, die den Betriebshof vom Besucherparkplatz trennt.
Der zwei Geschoße ins Erdreich eingegrabene Betonkörper erstrecken sich bis zur Unterkante des Daches. Eine Holzbalkendecke liegt über den Betonwänden und ermöglicht mit einem vorgesetzten Lamellenschirm in Trägerhöhe die Durchlüftung der Hackschnitzelbereiche.
Vom Parkplatzniveau führt eine Wegeverbindung durch einen Grünbereich auf einen zweiseitig umlaufenden Umgang mit Aussichtsterrasse. Mit dem Balkon entsteht für den unteren Bereich ein Vordach, das witterungsgeschützte Arbeiten ermöglicht.
Ein engagiertes Ökologiekonzept verschränkt das Gebäude weiter mit dem Umfeld: Biomasse aus der Umgebung als Energieträger zur Speisung des Nahwärmenetzes, kostenlose Kälte aus dem Speichersee zur Bereitstellung von Kühlleistung fürs Hotel, als Pilotprojekt die Kombination von Photovoltaikanlage und Gründach mit unterschiedlichen Aufbauten mit lokalem Oberboden und damit die Wiederansiedelung standorttypischer Pflanzen.
A. Einleitung
Das Heizwerk Latsch au ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Wärmeversorgung des Alpendorfs Latschau. Es beinhaltet die Bereitstellung von Nahwärme aus erneuerbaren Energieträgern, eine Kälteversorgung für ein Hotel sowie die Bereitstellung von Glasfaserinternet im ländlichen Raum.
Die Architektur des Projekts zeichnet sich durch eine gelungene Verbindung von moderner Architektur, ökologischen Elementen sowie einer stimmigen Integration in die Landschaft aus. Die Umsetzung des Projekts erfolgte unter Einsatz modernster Planungsmethoden (BIM- Planung) und Nutzung des digitalen Zwillings auf der Baustelle.
Im laufenden Betrieb spart das Heizwerk Latsch au 1.000 Tonnen C02 pro Jahr ein.
B. Ausgangssituation
Latschau liegt im Montafon, einer vom Tourismus geprägten Talschaft in Vorarlberg. Um das neue 5- Sterne-Falkensteiner-Familienhotel mit 130 Zimmern mit Energie zu versorgen, insbesondere in Bezug mit Heizung und Kühlung, sollte ein eigenes Heizwerk errichtet werden.
Vorarlberg hat das Ziel, bis 2050 energieautonom zu sein, um eine leistbare, umweltverträgliche und unabhängige Energieversorgung zu gewährleisten. Dies stellt besonders in Randgebieten und für ältere Gebäude eine Herausforderung dar.
Die illwerke vkw AG hat aufgrund hoher Standards und Interesse an nachhaltigen, effizienten und innovativen Projekten beschlossen, die Energieversorgung des Hotels, der geplanten Mitarbeiterhäuser und der umliegenden Streusiedlung zu übernehmen. 1n mehreren interaktiven Planungsrunden wurde ein Konzept erstellt, das die regionalen Gegebenheiten, den Stand der Technik und wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt. Dabei spielt das nahegelegene Pumpspeicherkraftwerk Lünerseewerk mit seiner Abwärme und Kälte aus dem Stausee eine strategische Rolle. Zudem ermöglichte das Verlegen von Fernwärme die Erschließung des Teilortes mit Gasfaser-1 nternet.
Das Projekt, das auf über 1.000 Meter über dem Meeresspiegel liegt, sollte sowohl die wertvolle alpine Landschaft berücksichtigen, als auch das denkmalgeschützte Gebäude des Lünerseewerks und das architektonisch ausgezeichnete 5-Sterne-Familienhotel Falkensteiner. Es war von besonderer Bedeutung, dass das Gebäude des Heizwerks eine architektonisch anspruchsvolle Hülle für die innovative Technik generiert, auf die innovativen Ansätze der Energieerzeugung im Inneren reagiert und gut in der Landschaft sitzt.
C. Beschreibung des Projektziels und Motivation
Um die Energieautonomie in Vorarlberg zu fördern und sich von unsicheren Lieferketten unabhängig zu machen, strebt die illwerke vkw AG danach, neue Konzepte zu testen und innovative Lösungen zu finden.
Eine Wärmeversorgung des neuen 5-Sterne-Familienhotels über eine Pellet-Anlage wäre technisch einfach umsetzbar gewesen. Allerdings hätte dies zur Folge gehabt, dass die umliegende Streusiedlung, die größtenteils mit Ölkesseln beheizt wird, individuelle Lösungen für die Heizungserneuerung hätte finden müssen. In überwiegend alten Gebäuden wäre dies durch den Einsatz von Luft- oder Erdsonden-Wärmepumpen nur schwer realisierbar gewesen.
Die Nutzung der Abwärme des Lünerseewerks bietet hingegen ein bisher ungenutztes Potenzial für die zentrale Wärmeversorgung. Zudem verfügt die illwerke vkw über eigene Flurstücke und Wälder in der Umgebung, die bisher nur spärlich bewirtschaftet wurden. Hier liegt ein beträchtliches Potenzial für aktive Forstwirtschaft, die notwendig ist, um den Wald für kommende Generationen fit zu machen. Der größte Teil des Brennstoffs für den Biomassekessel des Heizwerks kann hier gewonnen werden.
Für das Kühlen des Hotels wäre eine Kälteanlage erforderlich, die viel Strom verbraucht und Lärm erzeugt - dies hätte sich negativ auf das Hotel auswirken können. Vor diesem Hintergrund bestand die Motivation, eine ganzheitliche Lösung zu finden, die sicherstellt, dass die gesamte Ortschaft und die Umwelt davon profitieren.
Die Schaffung einer neuen Nahwärmeinfrastruktur ermöglicht es auch, die Wärmeabnehmer mit einem Glasfaseranschluss auszustatten, da die Kommunikation der Übergabestationen nicht mehr über Kupferkabel, sondern über Glasfaserkabel realisiert werden kann.
Das Ziel des Projekts war eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung, die den Gegebenheiten und Bedürfnissen des Ortes Lotschou gerecht wird.
D. Projektumfang und Aktivitäten zur Umsetzung
Für eine gezielte und effiziente Projektsteuerung wurde das Gesamtprojekt in verschiedene Projektteile aufgegliedert. Das Gebäude des Heizwerks fungiert als zentraler Energieumschlagspunkt und beherbergt die Anlagentechnik. Hier erfolgt die Veredelung der Abwärme, die Aufbereitung der Kälte sowie die Wärmeerzeugung aus Biomasse, einschließlich der Lagerung des Brennstoffs. Neben diesen Kernfunktionen bietet das Vordach des Heizwerks auf der Talseite Platz für Geräte, die vorübergehend geschützt untergestellt werden müssen. Das Dach des Heizwerks ist als Gründach gestaltet und dient als Rückzugsort für Tiere und Pflanzen, ergänzt durch eine Photovoltaikanlage.
Ein umlaufender Balkon führt Besucher zum Heizwerk und bietet die Möglichkeit, für eine Pause mit einem herrlichen Blick in das Montafon. Im Inneren des Heizwerks befindet sich das Herzstück der Anlage: eine 300 kW Kompressionswärmepumpe, eine 1.000 kW Biomassekesselanlage sowie eine fossile Ausfallsicherheit mit 2.000 kW Leistung. Zusätzlich sind hier die Wärmeverteilung mit einem 5 7.000 Liter Pufferspeicher und die Edelstahlrohrleitungen untergebracht. Die Filtration des "FreeCooling" (Gratis Kälte aus dem Stausee) erfolgt ebenfalls im Inneren des Heizwerks, die Schaltwarte mit Schaltschränken und der Steuerung finden ebenfalls Platz.
Außerhalb des Heizwerks verlaufen die erdverlegten Nahwärmerohrleitungen vom Lünersee zum Heizwerk und vom Heizwerk zu den Verbrauchern von Wärme und Kälte. In den Gebäuden der einzelnen Abnehmer befinden sich Wärmeübergabestationen, die die Wärmeübertragung in der Regelung der jeweiligen Heizung steuern.
E. Potential zur Replikation (Modellcharakter)
Das Projekt besitzt Modellcharakter, da es zukünftig in ländlichen Regionen viele kleinere bis mittelgroße Heizwerke geben wird, bei denen technische Innovation und ökologische Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Diese schafft einen Mehrwert für die jeweilige (Tourismus)region. Die Bereitstellung eines Nahwärmenetzes in kleineren Ortschaften und die Versorgung mit nachhaltig erzeugter Nahwärme aus Abwärme oder aus Holz tragen zur unabhängigen Versorgungssicherheit bei, vermeiden nicht nachhaltig erzeugte Wärme durch private Haushalte und verbessern die Luftqualität.
Das Projekt zeichnet sich durch die Integration verschiedener Möglichkeiten der Energiegewinnung aus, die sich in der Umgebung bieten. Diese vielfältige Herangehensweise verdient Anerkennung und Nachahmung.
Die Übernahme von Verantwortung als Bauherr, um der Umgebung ökologisch das zurückzugeben, was der Bau weggenommen hat, ist ein weiteres Kriterium, das Beachtung findet. Das Aufladen eines lnfrastrukturgebäudes, das ohnehin gebaut werden muss, mit Mehrwert für die Umgebung, wie es das Heizwerk Latschau sowohl ökologisch als auch für die unmittelbaren Nutzerinnen der Umgebung tut, ist ein zeitgemäßes Gebot. Dadurch können mit gleichen Kosten mehr erreicht, die Akzeptanz von nötigen Baumaßnahmen erhöht und Identifikationspunkte sowie Zufriedenheit geschaffen werden.
Projektablauf/ Standortfindung
Die illwerke vkw nutzt und erweitert ihre Infrastruktur rund um bestehende Kraftwerke für touristische Angebote. Die Region Golm Silvretta Lünersee ist das erste klimaneutrale Tourismusgebiet Österreichs. Der Bau eines klimaneutralen 5*- Falkensteiner Hotels dient einerseits dazu, Tourismus und Klimaschutz zu vereinen und andererseits das Skigebiet Golm langfristig durch eine bessere Auslastung abzusichern.
Das Heizwerk Latschau wurde errichtet, um das Hotel effizient und innovativ mit Energie zu versorgen. Auch das Mitarbeiterhaus und die umliegende Streusiedlung sind an die Wärmeversorgung angeschlossen.
Zwei wesentliche Komponenten sorgen für zuverlässige Wärme: eine Großwärmepumpe, die sich die Abwärme des angrenzenden Lünerseewerks zu Nutze macht und eine Biomasseanlage, die vor allem in der kalten Jahreszeit eingesetzt wird. Die Kühlung des Hotels erfolgt über gratis zur Verfügung stehende Kälte, die im "free cooling" aus dem Wasser des Staubeckens gewonnen wird.
Die Lage des Heizwerks an einer Geländekante oberhalb der Stauseen wurde gewählt, um die technischen Funktionen optimal anordnen zu können und durch die sich ergebenden zwei anfahrbaren Ebenen, einen guten Betriebsablauf zu garantieren.
Architektinnenfindung
Unsere Verwurzelung in der Region spiegelt sich auch in der Architektur wider. Mit Rücksicht auf regionale Besonderheiten arbeiten wir mit Vorarlberger Architekten zusammen, nicht ohne den Blick über den Tellerrand zu wagen.
Für das Heizwerk Latschau hat die Kammer der Architekten und Ziviltechnikerinnen für uns ein lnteressenbekundungsverfahren ausgeschrieben. Aus 12 Einreichungen haben wir drei Büros eingeladen und uns für das Büro Heike Schlauch raumhochrosen in Zusammenarbeit mit Architekt Christoph Eppacher entschieden, da die Mischung aus Erfahrung und Innovation unseren Anforderungen und unserem Team sehr gut entsprochen hat. Die Anforderung, das Gebäude als BIM-Pilotprojekt zu planen, wurde von den Architekten begeistert aufgenommen und umgesetzt.
Anspruch an die Bauaufgabe
"Wir bauen für Generationen" - diese Dimension unseres Denkens ist bereits in unserer Nachhaltigkeitsstrategie festgeschrieben. Entsprechend hohen Wert legt das Unternehmen auf hochwertige Architektur. In der Entwicklung unserer Gebäude achten wir auf Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und den Lebenszyklus. Unsere Architekturstrategie wurde bereits mit etlichen Auszeichnungen belohnt.
Das Projekt sollte Modellcharakter haben. Das Gebäude vollzupacken mit unterschiedlichsten Möglichkeiten der Energiegewinnung, die sich in der Umgebung anbieten, zeichnet dieses Projekt aus und verdient Nachahmung.
Synergien in der Zusammenarbeit mit den Architektinnen
Als professionelle Bauherrin wissen wir um den Wert einer qualitätvollen Planung, Kommunikation und Abwicklung. Unser Team aus Technikern fand in den Architekten ein ideales Gegenüber, die Notwendigkeiten eines technischen Baus mit dem Anspruch an Gestaltung in Einklang zu bringen und in gegenseitigem Verständnis qualitätvolle Lösungen zu entwickeln.
Besonderer Mehrwert und Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Architektinnen
Durch die breite Ausrichtung der Architekten, die auch im Museums- und Ausstellungsbereich tätig sind, haben sie über die bloße Aufgabenstellung hinausgedacht und das lnfrastrukturgebäude, das "sowieso" gebaut werden muss, mit Mehrwert für die Umwelt und die unmittelbaren Nutzerinnen aufgeladen. Es ist ein Gebot unserer Zeit, mit gleichen Kosten mehr zu erreichen, die Akzeptanz von nötigen Baumaßnahmen zu erhöhen und Identifikationspunkte zu schaffen. Die Besucherterrasse und ökologische Maßnahmen geben der Umgebung zurück, was der Bau weggenommen hat - Aussicht und Lebensraum für Flora und Fauna.
Bauherr/in: illwerke vkw
Architektur: Heike Schlauch
Fotografie: Albrecht Imanuel Schnabel
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