Haus am Rickenbach
Für eine heterogene Errichtergemeinschaft wurde das Mehrparteienhaus im Wolfurter Ortsteil Rickenbach errichtet. Das Gebäude befindet sich unmittelbar neben dem namens gebenden Gewässer am östlichen Rand des Rheintals, kurz bevor das Gelände nach Bildstein hin ansteigt. Am Grundstück befand sich zuvor ein nicht erhaltenswertes Einfamilienhaus, welches das Elternhaus einer kürzlich pensionierten Dame war, welche nun an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt. Unter anderem besteht die neue Hausgemeinschaft auch aus einer jungen Familie welche dringenden Bedarf an Gartenfläche hatte.
Das neue Gebäude besteht aus vier eigenständigen Wohneinheiten mit individuellem Charakter und unterschiedlichen Qualitäten. Es versteht sich als veritable Alternative zum Einfamilienhaus als auch zum gewöhnlichen Vorarlberger Wohnbau der Gegenwart. Bei vergleichsweise hoher Bebauungsdichte bieten alle Einheiten hochwertigen Innen- und Außenraum in je eigenständiger Ausprägung als Antithese zur Stapelung identischer Grundrisse im mehrgeschossigen Wohnbau.
Räumliches Umfeld
Die Kapelle Rickenbach markiert den historisch ältesten Wolfurter Ortskern, welcher sich als Station der Pilgernden auf dem Weg zur Walfahrtskirche in Bildstein begründet. In jüngerer Vergangenheit wurde das Gebiet durch die industriellen Produktionsstätten der Firma Doppelmayr geprägt, deren ursprüngliches Stammhaus sich ebenfalls vor Ort befindet. Mit der graduellen Abwanderung der Produktion und des Schwerverkehrs beginnt nun eine Phase der Entwicklung eines Wohn- und Geschäftsviertels. Rickenbach führt somit den längst etablierten Trend einer durchgängigen Bebauung entlang der Verbindungsstraßen zwischen Bregenz und Dornbirn fort. Man kommt nicht umhin das untere Rheintal als eine zunehmend urbane Agglomeration zu beschreiben, in welcher Gemeinden schon lange nicht mehr isoliert betrachtet werden können.
Behördliche Vorgaben
Es existiert ein räumliches Entwicklungskonzept für Rickenbach und für den ältesten Teil der Produktionsstätten wurde bereits ein Architekturwettbewerb entschieden. Diese Planungen und Regelwerke sind geprägt von einer starken Bezogenheit auf eine idealisierte Vergangenheit und dem Wunschbild ländlicher Bauformen. Das äußert sich untere anderem in der maximal erlaubten Dreigeschossigkeit und dem Zwang eines Giebeldaches. Das gegenständliche Projekt akzeptiert diese Vorgaben, allerdings wurden Kubatur und Gebäudehöhe möglichst ausgereizt um sich gegenüber der alten Lehrwerkstätte zu behaupten.
Räumliche Organisation
2 Wohneinheiten teilen sich das Erdgeschoss und den Garten, wobei eine Einheit als zweigeschossige Maisonette ausgebildet wurde. Das Niveau des Gartens liegt einen Halbstock tiefer als die Straße. Dieser Geländesprung wird im Inneren der 2 Einheiten aufgenommen. Somit ergeben sich gartenseitig große Wohnküchen mit eineinhalb facher Raumhöhe. Zwei weitere Einheiten befinden sich jeweils in Ober- und Dachgeschoss und werden durch südseitige Terrassen ergänzt. Die Erschließung erfolgt über ein gemeinsames Stiegenhaus mit Personenaufzug in Anbindung an den straßenseitigen Haupteingang. Vom Carport kommend oder mit dem Fahrrad benutzen die Bewohner den westseitigen Nebeneingang.
Gestaltung und Material
Die Fassade ist mit einem einfachen Schirm mit ortstypische Rippen in dunkel gebeizter Weißtanne verkleidet. Die bewusst unregelmäßig platzierten Fensteröffnungen haben ein quadratisches Format auf den Schmalseiten und ein Hochformat im Hoch-Tief Rhythmus auf den Längsseiten. Der Baukörper wird somit als ein einzelnes ruhendes Volumen gelesen, welches die innere Komplexität nach Außen hin nicht zeigt. Lediglich eine einzelne metallverkleidete Gaupe gibt den Hinweis auf das Gemeinschaftsstiegenhaus. Im Inneren dominieren ortstypische Hölzer und einfache weiße Oberflächen.
Konstruktion und Haustechnik
Das Gebäude wurde größtenteils als vorgefertigter konstruktiver Holzbau mit Massivholzdecken und Holzständerwänden ausgeführt. Das Kellergeschoss sowie Liftschacht und Stiegenhaus wurden in Stahlbeton ausgeführt. Im Dachgeschoss wurde stellenweise eine Stahlkonstruktion gewählt um den Raum stützen frei zu halten. Die verwendeten Aufbauten ermöglichen gute bis sehr gute Werte in Hinsicht thermischer, akustischer und brandschutztechnischer Trennung der Wohneinheiten. Heizung und Warmwasseraufbereitung werden mittels Erdwärmesonde betrieben.
Bauherr/in: Errichtergemeinschaft Kellaweg 4
Architektur: Christian Tonko, Architekt
Fotografie: Christian Tonko
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