Gemeindezentrum Lech am Arlberg
Die Waldgrenze und die daraus erwachsende Kargheit der alpinen Spitzen sowie die Furche durchs Tals, gebildet vom Lech, der nach Augsburg in die Donau mündet, geben diesem Ort eine auffällige und ansprechende Prägnanz. Das weithin sichtbare Gotteshaus St. Nikolaus am Kirchhügel bildet mit dem Schlegelkopf gegenüber die engste Stell, den gedrängtesten Durchgang im Tal. Hier am Ufer des Lech stand einst das Postbusareal, ein Verkehrskonten inmitten des Bahnfreien Gebirges.
Während sich oben am Kirchhügel das spirituellere und didaktische Zentrum etablierte, wurde mit dem neuen kommunalen Zentrum am Ufer ein ”missing link” geschlossen, ein wahrnehmbares kulturelles als auch kommerzielles Zentrum geschaffen. Lech ist geprägt aus einer Vielzahl von gestalterisch unterschiedlichsten gut vernetzten Außenräumen. Die Porosität dieser Orte entsteht und gewinnt erst durch diese alles überlagernde Verflechtung. Der neue kommunale Kern ist hier integrativer Bestandteil dieses Gefüges. In der vertieften Überlegung wird die Geschichte dieser Straße weitererzählt. Grundgedanke ist es das bauliche Muster und die räumlichen Strukturen weiter zu stricken und sich den ortsbaulichen und landschaftlichen Merkmalen dadurch noch einprägsamer zu nähern.
Die beiden neuen Gebäude bilden mit der bestehenden Anhöhe der Kirche St. Nikolaus einen Dorfanger, eine Allmende, die einen erlebbaren Knotenpunkt schaffen. Die Durchlässigkeit ist übergeordnetes Ordnungsprinzip. Durch diese Intervention werden Trennlinien geöffnet und vorhandene Strukturbrüche überwunden. Diese Porigkeit weitet das Lechufer mit eindringlichem Blick nach Westen auf. Die gegenüberliegende Uferpromenade verbindet sich mit der Dorfpromenade, der Lechtalstraße zu einem sich überlagernden Geflecht. Grünraumachse und Flanierachse greifen hier unter der Kirche St. Nikolaus tief ineinander.
Die Stellung der beiden Gebäude folgt dem Rhythmus der Bebauung entlang des Lech. Nicht der raumbildende Versatz der Gebäude steht zur Disposition, sondern vielmehr die breite Aufweitung der Dorfpromenade selbst. Die beiden neuen Häuser folgen konsequent der städtebaulichen Konsistenz der vorhandenen, raumbildend bestimmenden Gleichmäßigkeit. Nicht die Gebäude formen nun einen neuen Raum - sie sind Teil des Raumes.
Diese Durchlässigkeit ist aber nicht nur Absicht einer dörflichen Integration, sie ist auch in hohem Maße ein wesentlicher Teil der Identifikation und der atmosphärischen Aufladung . Es sind Gebäude für unterschiedlichste Interessensgruppen, die in starken ortsräumlichen und nutzungsübergreifenden Bezügen stehen und trotzdem selbständige Einheiten bilden. Gemeinsam ist ihnen die zentrale Erschließung über die erweiterte Flanierzone und die alles umschließende Zugänglichkeit. zen. Architektur wird hier als Prozess wahrgenommen, zu Überwindung von Kontinuität und zur Gewinnung unhaltbarer Einsichten.
Im neuen Gebäude des Gemeindeamts schrauben sich die Funktionen der Dorfrezeption, des LZTG und der Gemeindeverwaltung stetig um eine gemeinsam genutzte Mitte nach oben. Zweigeschossige Lufträume an den Fassaden geben die Blicke auf das Tummeln am Schlegelkopf ebenso frei wie auf die Dorfpromenade.
Auf einer Linie mit dem Gemeindeamt und dem Duktus der Bebauung entlang der Lech folgend reiht sich das neue Kultur- und Geschäftsgebäude in die bestehende Struktur ein. Während sich im Erdgeschoss im Wesentlichen die Shoppingflächen und die Gastronomie befinden präsentieren sich im 1. Obergeschoss zum Lech die Trachtenkapelle und die Musikschule. Der gesamte Südwestliche Bereich dieser Etage ist dem Foyer des darüber liegenden Mehrzwecksaales mit eindringlichem Blick auf die Kirche St. Nikolaus, dem Omeshorn und dem Schlegelkopf vorbehalten.
Langezogen - die Fassaden begleitend - folgen die nach außen sichtbaren Treppenaufgänge beidseitig der Ufer- als auch der Dorfpromenade in den neuen Mehrzwecksaal. Dieser neue Veranstaltungsbereich besteht im Inneren eigentlich aus drei zueinander gesetzten Räumen, die sich additiv erweitern oder reduzieren lassen.
Konstruktiv stülpt sich die konzeptionelle Einfachheit von Gemeindeamt und Mehrzweckgebäude gleichsam von innen nach außen und umgekehrt. Beide neu zu errichtenden Gebäude werden zum Teil in Holzmassivbauweise errichtet. So wurde Beton nur dort verwendet, wo er notwendig und Holz dort wo es möglich war. Für die ruhige und rhythmische Tektonik der Fassaden stand das Walser-Haus ebenso Pate wie die Absicht des Alleistellungsmerkmales für ein alpines Kulturzentrum.
Der neue Mehrzwecksaal präsentiert sich im inneren authentisch in sichtbarer Weißtanne, Die ortübliche Lärche wird als einziges weiteres Material konsequent innen wie außen eingesetzt. Die Hüllqualitäten der Außenhaut entsprechen den Anforderungen des Passivhauses, ebenso die Luftqualitäten. Zur Minimierung des Treibhauspotentials und aus dem Bekenntnis zur Verwendung ökologischer Baustoffe wurden zum Teil eigenen Wälder als Rohstoffressource verwendet.
ARCHITEKT
Sieben Jahre und drei Bürgermeister später kreuzt das eigene unfertige Denken und das der anderen noch immer beharrlich die längst angeeigneten Fähigkeiten. Die Selbstlosigkeit wird dann durch Selbstsorge abgelöst, wenn verschiedene Wirklichkeiten uns verschiedene Fakten zur Komplexität der Architektur einüben lassen. Jede Veränderung wird als Bedrohung wahrgenommen, Kontinuität und Kontext als Präambeln aller Dinge verstanden. Und dennoch: es blieb beim Vertrauen und dem Willen Einzelner sich der einstellenden Transformation des Baues, der Energie, der Natur und vielem mehr zu stellen, sie wahrzunehmen und sie auch umzusetzen. Architektur wird hier als Prozess wahrgenommen, zu Überwindung von Kontinuität und zur Gewinnung unhaltbarer Einsichten.
BAUHERR
Es ist wohl der Beharrlichkeit der Architekten und deren sicheren Kompetenz als Generalplaner zu verdanken, dass sie einfühlsam in zahlreichen Arbeitsgruppen zu unterschiedlichsten Schwerpunkten zielstrebig uns nicht nur durch die Corona Zeit geführt haben. Aber auch die Auswahl des dahintersteckenden, kompetenten Planungsteams ermöglichte es uns – auch über politisch schwierige Zeiten – Lech ein langersehntes neues kulturelles und wirtschaftliches Zentrum in erhabener Schönheit zu übergeben. Nach langer Arbeit erkannte spät aber doch jeder Zweifler die ausgesprochen hohe Qualität des Gebäudes, der Nutzungen, der Wergführungen und der noch fertig zu stellenden Außenräume. Die ersten Konzerte waren fulminant, die Akustik hervorragend und letztlich wird dies noch zahlreiche weitere Künstler nach Lech ziehen.
Bauherr/in: Gemeinde Lech am Arlberg
Architektur: Dorner\Matt Architekten
Fotografie: Bruno Klomfar
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