Torkel
Städtebau
Das Gebäude Torkelweg 4, das ursprünglich als Weinpresshaus, später als Tischlerwerkstatt genutzt wurde, bildet zusammen mit der Kirche und dem Gebäude Torkelweg 2 ein markantes, altes Gebäudeensamble am Fuß des Röthner Weinbergs. Das Ensamble bildet einen kleinen Dorfplatz vor dem ehemaligen Gasthaus Torkel, welches während der Planungsphase abgerissen und durch eine kleine Wohnanlage ersetzt wurde. Dorfbrunnen und Baum wurden in die Außengestaltung des Mehrparteienhauses übernommen. Unser Torkel konnte sein ursprüngliches Gesicht zu dem Platz hin bewahren und gibt diesem trotz radikaler Neugestaltung und Veränderung auf der einen Seite, Halt und Erinnerung auf der anderen.
Architektur
Der Torkel wurde über die Jahre mehrfach umgebaut. Die Jahreszahl 1943 wurde am Holzbau im OG während des Umbaus freigelegt, die Grundmauern der Kellerräume sind mit Sicherheit älter. Eine Gebäudeecke fiel leider irgendwann einer neuen Straßenführung des Torkelwegs zum Opfer. So stand schlussendlich das Wirtschaftsgebäude etwas eigentümlich an seinem Ort und seine Qualitäten waren vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennbar: Die alten Kellerräume sind hoch und geräumig, die Lage am Hang ermöglicht Ebenerdigkeit auf mehreren Ebenen und im OG wurde ein großer, stützenfreier Raum mit interessanter Pendelstützenkonstruktion im Dach vorgefunden. Der Entwurf sieht Leben und Wohnen auf mehreren Ebenen im Haus sowie auch in den angrenzenden Außenräumen vor. Garten oben und Vorplatz unten sind über eine Wendeltreppe verbunden. Diese liegt im Außenraum allerdings innerhalb des Gebäudevolumens. Eine Art vorgelagerte Arkade bildet angrenzend zur befahrenen Straße und zum Vorplatz einen geschützten Vorraum für den Haupteingang auf der einen Seite und die Werkstatt auf der anderen. Über Werkstatt und Garderobe gelangt man in die dahinterliegenden Kellerräume sowie vom Eingang geradlinig nach oben in das Wohngeschoss, das sich ostseitig großzügig zum Garten Richtung Hang hin öffnet. Dieser Garten bildet gemeinsam mit dem Torkelweg 2 einen spannenden Außenraum, der vielfältig begrenzt und differenziert auf mehreren Ebenen liegt und von den Bewohnern beider Gebäude gemeinsam genutzt und belebt wird. Beim Torkel findet sich auch auf dieser Ebene ein in der Gebäudehülle liegender, geschützter Außenraum wieder, von wo die Wendeltreppe zur darunter liegenden Arkade führt und so Garten und Vorplatz miteinander verbindet. Der ursprünglich stützenfreie Werkstattraum ist jetzt ein offener Wohn-, Koch-, Essraum. Eine kleine Stube, ein Arbeitszimmer und ein Wasch- und WC-Raum werden durch eine Schrankwand abgetrennt. Das Gefühl von einem großen Raum sollte möglichst erhalten werden. Dieser öffnet sich außerdem nun nach oben hinauf in den Dachraum, die ursprüngliche Holzkonstruktion ist hier fragmentarisch erkennbar und wird überlagert mit den nötigen, neu dazugekommenen statischen Ertüchtigungen. Die drei Schlafräume und das Familienbad befinden sich unter dem Dach. Ziel war, das Dach in seiner Form zu erhalten und keine neuen Aufbauten zu ergänzen. Dachfenster schaffen punktuell mehr Raumhöhe und lassen viel Licht herein. Auch das Wohnen und Kochen wird zusätzlich über den Luftraum von oben belichtet.
Ökologie/Nachhaltigkeit
Die Nachhaltigkeit dieses Projektes liegt in der Nachnutzung eines lange leer stehenden Bestandsgebäudes. Das
Grundstück ist sehr klein und weist einen extrem schwierigen Zuschnitt auf. Ein Neubau an gleicher Stelle war dadurch praktisch ausgeschlossen - eine Sanierung nur durch gelebte Nachbarschaft möglich. Die zentrale Lage ermöglicht die fußläufige Erreichbarkeit nahezu aller nötigen Einrichtungen. Eine nachträgliche Trennung des Einfamilienhauses in zwei Einheiten wurde bei der Planung mitgedacht. Die Ausführung erfolgte ausschließlich durch lokale Handwerksbetriebe.
Energiekennwerte
Das Gebäude erreicht laut Energieausweis einen Heizwärmebedarf von 45 kWh/m2a. Geheizt wird vorwiegend mit dem zentralen Stückholz Speicherofen, die Wärmeverteilung erfolgt auch über die kontrollierte Be- und Entlüftung. Zusätzlich wird mittels Erdgas und Fußbodenheizung geheizt.
Materialwahl
Einige Bauteile wurden beim Torkel recycelt. Die bestehenden Fenster und Fensterläden straßenseitig wurden
ausgebaut, gereinigt, Instand gesetzt und wieder eingebaut. Die Fenster als „Augen des Gebäudes“ sollten so trotz neuer Fassade in ihrer ursprünglichen Erscheinung erhalten werden. Mittels neuen, vorgesetzten Fenstern innen wurden die alten Sprossenfenster zu Kastenfenstern upgecycelt. Die Entscheidung, dass der in der Tischlerwerkstatt verlegte Buchenmassivholzparkett wieder verwendet werden sollte, war bereits vor Planungsbeginn seitens der Bauherrschaft getroffen worden. In viel Eigenleistung wurde er ausgebaut, gereinigt und vom Bodenleger auf der Treppe ins Obergeschoss und in den Schlafzimmern wieder neu verlegt. Auf einen finalen Schliff wurde bewusst verzichtet. Der Boden darf seine Patina behalten und ist heute im Dachgeschoss mit seinem wilden Muster wie ein Teppich voller Geschichten, der von den jetzigen Bewohnern - besonders in den Kinderzimmern - mit neuen ergänzt wird. Die Entscheidung für diesen Boden war Grundlage für die weitere Materialwahl im Innenraum. Für Wände und Decken wurden Großformatige Buchensperrholzplatten verwendet. Im Eingangs- und Wohnbereich findet sich ein fugenloser, relativ roher Estrich - eigentlich ein „Kellerboden“. Möbel sind ebenfalls teilweise in Buche gehalten, teilweise als Pendant zum Zementboden in grauem MDF bzw. grauem Eternit. Die neue Fassade bildet wie schon beim Bestandsgebäude ein einfacher Fichten Boden-Deckel-Schirm, das neue Dach wieder ein rotes Ziegeldach.
Bauherr/in: Petra und Thomas Feurstein
Architektur: Julia Kick Architekten
Fotografie: Angela Lamprecht
WEITERE INTERESSANTE EINREICHUNGEN