Pflegeheim Jesuheim
Zuhause in Ruhe und Geborgenheit
Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensabend birgt die Sehnsucht, in Würde und Gelassenheit alt zu werden. Die Kunst besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Maß an Unterstützung und dem Erhalt der Autonomie zu finden. Eine wesentliche Grundlage für diese Prozesse bildet die Qualität der umgebenden Architektur. Es gilt Räume zu schaffen, die nicht nur Funktionen erfüllen, sondern das tägliche Leben mit klaren Strukturen, inspirierenden Gestaltungskonzepten, sowie einem hohen Maß an Orientierung und Geborgenheit unterstützen und bereichern.
Der logistisch anspruchsvolle Um- und Neubau des Pflegezentrums Jesuheim erzählt vom Gelingen dieser komplexen Anforderungen. Das baugeschichtlich interessante Ensemble gewinnt seinen besonderen Charakter durch die einzigartige Lage hoch über der Gemeinde Lochau, die den betagten Bewohnern weite Ausblicke über den Bodensee bis hin zu den Appenzeller Alpen eröffnet.
Das traditionsreiche Haus der Barmherzigen Schwestern Zams wurde von 2020 bis 2024 umfassend modernisiert und teilweise neu gebaut. Dabei lag der strategische Fokus auf der Förderung eines selbstbestimmten Alltags der Heimbewohner sowie der Anpassung der Ausstattung an moderne Pflegestandards. Der Einsatz ressourcenschonender Baumaterialien und die präzise durchdachte Planung setzten Maßstäbe in Bezug auf Nachhaltigkeit, Prozessoptimierung und Effizienz, wobei die Bauarbeiten bei laufendem Vollbetrieb das Planungsteam vor besondere Herausforderungen stellten. Ein zentrales Element des Projekts bildete die innovative Holzmodulbauweise, die gemeinsam mit der Zimmerei Kaufmann aus dem Bregenzerwald entwickelt und umgesetzt wurde.
Das nach Süden orientierte Haus Pfänder aus den 1980er Jahren sollte durch einen zeitgemäßen Neubau ersetzt werden. Zu diesem Zweck wurden 44 Holzmodule vorgefertigt, die zunächst ein temporäres Ersatzgebäude auf Punktfundamenten bildeten. Dort boten 36 Pflegezimmer mit barrierefreien Bädern den Bewohnern während der Bauzeit ein komfortables Zuhause. Nach der Fertigstellung des Sockelgebäudes in Mischbauweise wurden die Module schließlich als 2. und 3. Obergeschoß auf das neue Haus gesetzt, wodurch Raum für insgesamt 72 Senioren geschaffen werden konnte. Diese nachhaltige und effiziente Lösung überzeugte ökologisch wie ökonomisch, auch dank der natürlichen Eigenschaften von Holz als CO₂-Speicher.
Heute präsentiert sich der Wohntrakt als zeitgemäßer Bau mit fein austarierten Proportionen und klarer Linienführung, der sich respektvoll und doch selbstbewusst in das bestehende Ensemble fügt. Die lebendige Textur der dunkel gebeizten Schindelfassade steht in bewusstem Kontrast zur hellen Putzoberfläche des historischen Hauptgebäudes. Die lichtdurchfluteten Innenräume vermitteln eine warme, einladende Atmosphäre, die das Wohlbefinden der betagten Menschen fördert. Die freundliche Farbgestaltung und Formgebung der offenen Begegnungsräume sowie der privaten Rückzugsorte tragen zu einer ruhigen und harmonischen Stimmung bei. Großzügige Fensterflächen eröffnen entspannende Ausblicke auf die sorgfältig gestalteten Grünräume und schaffen eine harmonische Verbindung zur umgebenden Natur. Die kleinen Balkone wurden durch weite Aussichtsterrassen ersetzt, die auch den weniger mobilen Senioren sonnige Stunden der Entspannung und Erholung bieten.
Im Rahmen des Neubaus konnte auch der Mitteltrakt als zentraler Verbindungsort sowohl räumlich optimiert als auch umfassend erneuert werden, und bildet nun das kommunikative Herzstück der Anlage. Dieser Bereich umfasst die Rezeption, ein einladendes Café, sowie flexibel gestaltbare Veranstaltungsräume. Unter dem auskragenden Vordach, das von filigranen Betonstützen getragen wird, entfaltet sich eine südlich anmutende Arkade, die mit eleganter Leichtigkeit eine harmonische Verbindung zwischen den verschiedenen Bauetappen des Ensembles schafft.
Um- und Neubau sollten den laufenden Betrieb möglichst wenig beeinträchtigen und die Bewohner:innen nicht aus ihrem gewohnten Alltag reißen. Die Lösung: Vom Planungsteam HK Architekten wurde eine Modulbauweise in Holz angedacht, die Wohnraumflexibilität in allen Bauphasen ermöglichte.
„Die Module sind keine klassischen Metallcontainer. Sowohl der Bauherrschaft als auch uns ist es wichtig, den Bewohnerinnen und Bewohnern mit den richtigen Materialien wie Holz eine wohnliche und warme Atmosphäre zu schaffen. Deshalb kamen für uns nur Holzmodule in Frage.“
DI Stefan Hiebeler, HK Architekten
„36 Boxen sind als Pflegezimmer eingerichtet - einschließlich barrierefreier Nasszellen.“
Matthias Kaufmann, Kaufmann Zimmerei und Tischlerei
Umsiedlung des Provisoriums
Zusammen mit allen Beteiligten wurde eine große Herausforderung gemeistert und eine logistische Meisterleistung im laufenden Betrieb vollbracht.
Anfang Juni 2023 wurde das Ersatzbau-Provisorium, bestehend aus 36 Modulen, in das erneuerte Pfänder Haus integriert. Dieser Prozess wurde in nur drei Tagen umgesetzt - und das während des laufenden Betriebs.
Nach Abschluss der Arbeiten am Haus Pfänder wurden die ersten Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Provisorium in die neuen Etagen (EG und 1. OG) umgesiedelt; der Betrieb wurde umgehend wieder aufgenommen. Anschließend wurden die Module des Provisoriums als zusätzliche Etagen (2. und 3. OG) in das Haus Pfänder integriert und an die vorbereiteten Installationen angeschlossen. Während dieses Prozesses zogen nach und nach auch die restlichen Bewohnerinnen und Bewohner von den verbleibenden Modulen des Provisoriums in die sanierten Etagen um.
Alle beteiligten Firmen freuten sich darauf, die Arbeiten schnell, präzise und erfolgreich abzuschließen, um den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie dem Personal des Pflegeheims Jesuheim auch weiterhin eine hochwertige Pflege und Betreuung gewährleisten zu können.
Bauherr/in: Barmherzigen Schwestern Zams
Architektur: HK Architekten
Fotografie: Roland Wehinger
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